Stephanie Held-Ludwig

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Stephanie Ludwig, Selbstporträt um 1910

Stephanie Pauline Held-Ludwig[1], geb. Edelstein (* 6. Dezember 1871 in Schaulen, Russisches Kaiserreich, heute Šiauliai, Litauen; † 16. Januar 1943 im KZ Theresienstadt), war eine Fotografin.[2] Sie unterhielt in München das damals renommierte Atelier Veritas.

Stephanie Pauline Edelstein war die Tochter von Joseph Edelstein und seiner Frau Sarah, geb. Isaak. Beide Eltern arbeiteten als Fotografen. Bislang fehlen Quellen, wann die Familie nach München übersiedelte oder wo Stephanie Edelstein die Fotolehre absolvierte. Es liegt jedoch nahe, dass sie das Handwerk bei ihren Eltern erlernte.

Atelier Veritas – Aufkleber auf einer Fotorückseite

Am 29. Oktober 1900 heiratete Stephanie Edelstein nach dreijähriger Verlobungszeit[3] den Arzt für Nerven- und Gemütsleiden Arthur Ludwig (1874–1930). Am 26. Januar 1902 kam der gemeinsame Sohn Werner Ralf Lucian zur Welt. Sein Taufpate war der Reformpädagoge und Gründer der Odenwaldschule Paul Geheeb, mit dem das Ehepaar eng befreundet war. Alexandra Schöfberger vermutet, dass Arthur Ludwig, selbst ein leidenschaftlicher Amateurfotograf, ein „großer Förderer ihrer Fotografie“ war.[4]

Das Fotoatelier Veritas befand sich zunächst in der Lindwurmstraße 23, 1903 folgte der Umzug in die Franz-Joseph-Straße 13. Zu Stephanie Ludwigs beruflichem Erfolg mag das Ansehen des Ehemannes beigetragen haben, der ein „Ärztliches Familienheim“ in der Leopoldstraße 42 unterhielt, das als eines der Zentren des geselligen Münchner Nachtlebens galt.[5]

Stephanie Ludwig, Frau mit Hund auf einer Straße, um 1912

Die Fotografin nahm viele Gelegenheiten wahr, ihre Bilder auszustellen. Ein Höhepunkt in ihrer Karriere war die Verleihung der Goldenen Medaille für ihre Porträts der Tänzerin Ruth St. Denis bei der Internationalen Photographischen Ausstellung 1909 in Dresden.[6] Im folgenden Jahr, am 4. April 1910, erfolgte die Scheidung[7] von Arthur Ludwig. Die Freundschaft zu ihm blieb jedoch erhalten. Ein Jahr später heiratete sie den Schriftsteller und späteren Gründer der Monacensia Hans Ludwig Held; diese zweite Ehe wurde 1923 geschieden.

Bislang fehlen noch viele biographische Daten zu Stephanie Held-Ludwig. Bekannt ist, dass das Atelier Veritas 1914 in die Leopoldstraße 44 umzog.[8] Dort wohnte die Fotografin ab 1923 auch selbst. Sie vermietete außerdem Zimmer, so war Edgar Weil 1928 bis 1929 ihr Untermieter. Von 1932 bis 1936 lebte Held-Ludwig in Starnberg, dann folgten weitere Umzüge in die Josefstraße 40 in Aubing, in die Giselastraße 12/III, die Ohmstraße 7 und in die Dachauer Straße 46/III.[2] Der häufige Wohnungswechsel stand vermutlich in Zusammenhang mit den beruflichen Einschränkungen, die ihr in der NS-Diktatur als Jüdin auferlegt wurden, bis sie sich schließlich völlig zurückziehen musste.

Am 22. Juli 1942 wurde sie ins KZ Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 16. Januar 1943 an einer „Theresienstädter Krankheit“, womit Bakterienruhr, Typhus oder eine Lungenentzündung gemeint sein könnte.[9]

Der Ateliername „Veritas“, lateinisch für „Wahrheit“, war Programm. Stephanie Held-Ludwig ging es bei ihren Porträts nicht um beeindruckende Posen, sondern darum, das Wahre, Echte eines Menschen einzufangen. Kunstkritiker rühmten die Qualität ihrer Fotografien. Fritz von Ostini äußerte sich 1908 über Stephanie Ludwigs Fotos: „Die Bilder sind wunderschön im Ton und von einer künstlerischen Ungezwungenheit und Lebenstreue, welchen den stolzen Namen des Ateliers – ‚Veritas‘ vollauf rechtfertigt.“[10] 1911 stand in den Münchner Neuesten Nachrichten zu lesen: „Der hervorstechendste Zug dieser Porträtaufnahmen ist ihre wundervolle Wiedergabe des Psychologischen und Charakteristischen; eine Reihe der Bilder sind von absolut schlagender Wirkung.“[11] 1912 berichtete die Allgemeine Zeitung, Held-Ludwigs Aufnahmen seien „einfache Porträts, aber so fein in der Auffassung des Charakters und so liebevoll in der Ausarbeitung, dass sie an und für sich wie Kunstwerke wirken“.[12]

Anders als das Atelier Elvira waren das Atelier Veritas und seine Inhaberin lange Zeit fast vergessen. Ulrich Pohlmann, Leiter der Sammlung Fotografie des Münchner Stadtmuseums, schrieb über Stephanie Held-Ludwig, sie zähle zu jenen wenigen „emanzipierten Frauen, deren Kreativität sich mit den etablierten männlichen Kollegen messen konnte“.[13]

Fotos aus dem Atelier Veritas

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bekannten Namen der von Stephanie Ludwig Porträtierten zeugen von dem guten Ruf, den das Atelier Veritas hatte: Karl von Frisch, Max Kruse, Paul Le Seur, Ludwig Thuille,[14] Friedrich Naumann, Bernhard Dernburg,[15] Oswald Spengler, Georg Kerschensteiner, Johannes Müller, Clotilde von Derp, Lena Christ, Ricarda Huch, Isolde Kurz[16], Fanny Moser[17] oder Hans Thoma.[18] Viele ihrer Fotos sind jedoch bis heute verschollen oder nur noch als Reproduktion erhalten.

  • Alexandra Schöfberger: Wegbereiterin für viele Generationen, in: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Hrsg. Münchner Stadtmuseum, Süddeutsche Zeitung Edition 2014, S. 360–365.
Commons: Stephanie Held-Ludwig – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Es existieren verschiedene Formen der Namensnennung und -schreibung. Neben „Stephanie“ auch „Stefanie“, neben „Held-Ludwig“ auch „Ludwig-Held“. Am häufigsten scheint „Stephanie Held-Ludwig“ zu sein.
  2. a b Stephanie Pauline Held, geb. Edelstein, gesch. Ludwig. In: gedenkbuch.muenchen.de. Abgerufen am 16. August 2022.
  3. Geheeb-Archiv der Ecole d'Humanité, Hasliberg Goldern, Brief von Dr. Arthur Ludwig an Paul Geheeb vom 2. April 1897.
  4. Alexandra Schöfberger: Wegbereiterin für viele Generationen, in: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Hrsg. Münchner Stadtmuseum, Süddeutsche Zeitung Edition 2014, S. 362.
  5. Hans Brandenburg: München leuchtete. München, 1953, S. 268 f.
  6. Alexandra Schöfberger: Wegbereiterin für viele Generationen, in: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Hrsg. Münchner Stadtmuseum, Süddeutsche Zeitung Edition 2014, S. 361, 364f.
  7. Stadtarchiv München, PMB 184, Personenstammblatt V.1.0./20.5.1990.
  8. Münchner neueste Nachrichten. 1914 = Jg. 67, 4 • General-Anzeiger, 19. April 1914, S. 3, Sp. 4 („Geschäftsnotizen“).
  9. Alexandra Schöfberger: Wegbereiterin für viele Generationen, in: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Hrsg. Münchner Stadtmuseum, Süddeutsche Zeitung Edition 2014, S. 365.
  10. Münchner neueste Nachrichten. 1908 = Jg. 61, 4 • Morgen-Blatt, 2. April 1908, S. 2 („Aus dem Kunstverein“).
  11. Münchner neueste Nachrichten. 1911 = Jg. 64, 6 • Morgen-Blatt, 1. Juni 1911, S. 4, Sp. 1 u.
  12. Allgemeine Zeitung. 1912 = Jg. 115, 7–12 • 31. August 1912.
  13. Ulrich Pohlmann: Der Kunstwerth der Photographie...Schwabing und die Fotografie um 1900, in: Helmut Bauer (Hrsg.) Schwabing Kunst und Leben um 1900, München 1998, S. 315.
  14. Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek: Brustbild (im Oval; mit Hut und Zigarette) Technik: Fotografie 1903, Atelier Veritas Jahr: 1903
  15. Wikimedia Commons
  16. Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek, Portr.R. Kurz, Isolde (1) Bildnummer: port-034124
  17. Historisches Lexikon der Schweiz
  18. Alexandra Schöfberger: Wegbereiterin für viele Generationen, in: Ab nach München. Künstlerinnen um 1900, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Hrsg. Münchner Stadtmuseum, Süddeutsche Zeitung Edition 2014, S. 363.