Authenticum

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Justinianische Gesetzessammlung des Authenticum in der Version des Herausgebers Dionysius Gothofredus aus dem Jahr 1614

Das sogenannte Authenticum (auch: liber Authenticorum) ist eine lateinische Privatsammlung der Gesetze und Verordnungen des spätantiken Kaisers Justinian I. Enthalten sind im Authenticum Gesetze, die Justinian während seiner Regierungszeit erlassen hatte und die als Novellae dem umfangreichen Corpus iuris beigefügt waren. Mit ihnen schloss Justinian seine Initiative zur Sammlung und Zusammenfassung allen gültigen Rechts ab. Entstanden war damit ein bedeutendes Gesamtwerk der byzantinischen Gesetzgebung.

Inhalt und Bedeutung

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Das Authenticum enthält 134 unverkürzt wiedergegebene Gesetze und einen Großteil der Erlasse aus den Jahren von 535 bis 556. Achtzehn Novellen sind originär lateinisch verfasst. 116 weitere Novellen wurden ursprünglich in Griechisch geschrieben und sind ins Lateinische übersetzt worden.[1] Die Urheber der griechischen Texte sind unbekannt.

Das (Übersetzungs-)Werk wird Julian zugeschrieben, einem Rechtslehrer (antecessor), der in Beirut und Konstantinopel tätig war und als Verfasser weiterer Gesamtdarstellungen (summae), Breviere (epitomae) und eines Novellenindex auf sich aufmerksam gemacht hatte. Julian war griechischer Muttersprachler.[2] Nach der Neufassung des Codex Iustinianus im November 534 ergingen Gesetze vornehmlich in griechischer Sprache, weshalb eine Besonderheit der Sammlung darin besteht, dass die griechischen nun in lateinischer (Rück-)Übersetzung auftauchten.[1] Die Übertragung war wohl ein Ergebnis des abgehaltenen Rechtsunterrichts seiner Zeit. Sie erfolgte unter Beibehaltung von Wortstellung und -folge (kata poda), was bei juristischen Texten meist konsequent ad verbum erfolgte.[3] Die Latinisierung einzelner Wörter erfolgte durch Überschreibung griechischer Urtextteile, lediglich häufig wiederkehrende „Konjunktionen“ oder Formen von „sein“ blieben dabei unberücksichtigt.

Für die Lateiner im Reich entstand nahezu zeitgleich ein Parallelwerk, die ebenfalls in Latein gehaltene Epitome Juliani (constitutiones novellae Justiniani de graeco in Latinum translate per Julianum, virum eloquentissimum, antecessorem civitatis Constantinopolitanae) mit Anhängen. Inhaltlich stimmten die beiden Werke im Wesentlichen überein. Auch die Epitome enthielt als Auszugsschrift Konstitutionen des Kaiser Justinian. Synchronität bestand darin, dass nahezu derselbe Zeitraum der justinianischen Erlasse abgedeckt war, nämlich der von 535 bis 555. Das Werk enthielt 124 Novellen, nach Abzug zweier Doppelungen 122. Ansonsten entstand unter dem lateinischen Muttersprachler Justinian eine griechische Novellensammlung, die unter Kaiser Tiberios II. ihren Abschluss fand und – unbereinigt von Doubletten – 168 Stücke enthielt. Die Forschung geht davon aus, dass diese – vermutlich in Konstantinopel angelegte – Novellensammlung lateinisch Verfasstes wiederum entweder ausblendete oder aber, im Umkehrprozess zum Authenticum und zur Epitome Juliani, in Griechisch wiedergab.[4] Als Verbreitungsgebiet diente jedenfalls der in den Wirren der Völkerwanderung behauptete griechische Osten (Konstantinopel, Griechenland, Ägypten, Syrien und Kleinasien). In das Authenticum wurden illyrische Zusätze eingebracht, weshalb die Forschung bisweilen davon ausging, dass die Transkriptionen überhaupt in Illyrien vorgenommen worden seien.[5]

Es wird vermutet, dass die Textentwürfe des Authenticum entweder auf Beamte der kaiserlichen Kanzlei zurückgehen, oder dass sie von einem Prätorianerpräfekten fixiert wurden. Der Entwurf war in griechischer Sprache wohl deshalb verfasst, weil eine Grundlage in dieser Form sich von selbst zu behaupten vermochte. Ob Justinian persönlich an den Novellen mitgearbeitet hatte, muss von der Forschung offen gelassen werden, jedenfalls aber war es Aufgabe des Quaestor sacri palatii, Gesetze final zu formulieren. Das Amt des Quaestor sacri palatii hatte Justinian für den römischen Westen kurz zuvor abgeschafft.

Ab dem 7. Jahrhundert verstand in Ostrom kaum mehr jemand Latein, weshalb das Authenticum in Vergessenheit geriet.[1] Sicherlich bedingt durch die Auffindung der bis heute bedeutendsten Digesten-Handschrift Littera Florentina, kehrte ab Mitte des 12. Jahrhunderts mit den Glossatoren um Irnerius von Bologna das Interesse an den antiken Kodifikationen wieder. Die ersten Rezeptoren des römischen Rechts konnten auf die Novellae nicht zurückgreifen, da sie kein Griechisch verstanden (graeca non leguntur), weshalb sie stattdessen das Authenticum verwendeten.[6] Mittels eigener theoretischer Methodik untersuchten sie die Texte auf Widersprüche, begutachteten Rechtsprobleme, erörterten und kommentierten sie. Das Authenticum, so benannt, weil davon ausgegangen wurde, dass es sich um eine offizielle und damit von Justinian befehligte Kompilation handelte, wurde für Weiterbearbeitungen im Rahmen von Rechtsunterricht verwendet.[4] Die justinianische Gesetzgebung wurde als ein einheitliches Ganzes gesehen und im Corpus iuris civilis (im 12. Jahrhundert noch Corpus iuris genannt) aufgenommen, der das gesamte geltende Recht des Reichs wiedergab.

  1. a b c Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 266–269.
  2. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260-640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 220 ff.
  3. Wolfgang Kaiser: Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze (= Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte. Heft 96). Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55121-5, S. 251 ff.
  4. a b Martin Schanz, Carl Hosius: Geschichte der römischen Literatur. Vierter Teil, 2. Band: Die Literatur des fünften und sechsten Jahrhunderts. C. H. Beck, München 1920, ISBN 3-406-01398-8, S. 184 ff. (online).
  5. Max Conrat (Cohn): Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter. Hinrichs, Leipzig 1891, S. 137; er folgt hierbei: Friedrich August Biener: Geschichte der Novellen Justinians. Berlin 1824, S. 260–261 (Digitalisat).
  6. Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit. Unter Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, 1967. S. 124 ff. (134).